Kommentar der Jury: Das Thema verlangte eine differenzierte, an Beispielen erläuterte, in der Form eher essayistisch gehaltene Auseinandersetzung mit den Begriffen „Nonkonformismus“ und „Kreativität“. In herausragender origineller Weise und in nahezu akademischem Duktus erfüllt der Essay von Marian Schreier diese Bedingungen und stellt damit eindeutig die Spitzenarbeit des Themas dar.
Ausgehend von dem als Motto vorangestellten Zitat von Henri Brugmans: „L’Europe, c’est la civilisation des non-conformistes!“ untersucht Marian Schreier die Implikationen der beiden Schlüsselbegriffe und kommt zu dem Ergebnis, „dass es nicht nur eine Spielart von Kreativität gibt. Jedes gesellschaftliche Teilsystem kennt seine spezielle Form der Kreativität. Dasselbe gilt auch für den Nonkonformismus, der in verschiedensten Formen auftritt. Im Folgenden werde ich nun die Variationen von Nonkonformismus und Kreativität in Europa an Beispielen (…) aufzeigen (…) Um die Schnittstelle zwischen beiden deutlich hervorzuheben, befinden sich „Schwellen“ zwischen den Beispielen (…) Zum Schluss werde ich die beiden Fäden (…) wieder zusammenführen und die gewonnenen Erkenntnisse auf eine generelle, theoretische Ebene heben.“ (S. 4).
Entlang dieser wohlüberlegten methodischen Konzeption erläutert der Autor nun Beispiele von kreativem, nonkonformistischem Verhalten im Bereich der Politik (Entscheidungsfindung in der EU, Solidarnosc-Bewegung in Polen), der Kultur (Beethoven, Schiller) und der Gesellschaft (das Konzept „cradle to cradle“ sowie Charles Darwin). Zum Schluss greift Marian Schreier das Brugmans-Zitat wieder auf und kommt zu dem Fazit, dass Europa, obwohl es keinen „homogenen demos“ aufweise, ein kulturelles Fundament für Nonkonformismus und Kreativität besitze. Das Bindeglied zwischen beiden, nämlich die „Entwicklungsfähigkeit“, gelte es „zu behalten, umso die anstehenden Herausforderungen angehen zu können“. (S.12)