Kommentar der Jury:
Melina legt ein fiktives Tagebuch vor, das sie aus Pappe und Stoff gebastelt hat. Sie lässt eine ältere Frau, die seit kurzem verwitwet ist, eine entscheidende Wendung ihres Lebens in Wort und Bild dokumentieren. Um die Fiktion vollkommen zu machen, leitet die Autorin das Tagebuch mit der Widmung einer elfjährigen „Lisa“ für ihre „Oma“ ein. Sodann lässt die Autorin die „Oma Maria Schmitt“ sich in einem Steckbrief vorstellen und ihren größten Wunsch äußern: „nicht mehr so einsam zu sein“.
Auf zwölf Doppelseiten, welche die Ereignisse der nächsten beiden Monate wiedergeben, demonstriert die Autorin dann die Wandlung der Lebensumstände und der Seelenlage dieser Großmutter. Denn mit dem Einzug in das Haus ihrer berufstätigen Tochter, mit der Übernahme von Familienpflichten, in Gemeinschaft mit ihren Enkeln, die ihr bei Einkauf und bei E-Mail- und Handy-Nutzung helfen, erhält ihr Leben wieder einen Sinn.
Den handschriftlichen Tagebucheintragungen der Maria Schmitt auf der rechten Seite stellt die Autorin deutende Buntstiftzeichnungen auf der linken Seite gegenüber. Ist die Tagebuchschreiberin zunächst mit trauriger Mine ganz alleine beim Einkauf oder im Wohnzimmersessel zu sehen, wirkt ihr Blick am Schluss bei der Feier ihres siebzigsten Geburtstages im Kreise der Familie fröhlich und zufrieden. Die Glaubwürdigkeit der Hauptperson wird durch ihr situations- und altersgerechtes Auftreten erzielt, die übrigen Personen und Gegenstände werden typisierend dargestellt, Räumlichkeit wird durch perspektivische Sicht erzeugt. Die Zeichnungen sind sauber ausgeführt und farblich ansprechend komponiert.
Die Autorin zeigt, wie das Zusammenleben der Generationen auf Geben und Nehmen basiert. In ihrer letzten Tagebucheintragung resümiert die siebzigjährige Maria Schmitt das Erreichte: „Ich bin jetzt richtig glücklich in unserem Mehrgenerationenhaus“, und die Autorin lässt die selbstbewusst und modern wirkende Omi in demselben Wohnzimmersessel sitzen, in dem sie anfangs unglücklich war. Dieser Wettbewerbsbeitrag zeigt überzeugend, wie Zukunft durch das „Zusammenleben in einem Mehrgenerationenhaus“ gemeinsam gemeistert werden kann – nicht nur in Deutschland, sondern in allen europäischen Ländern.