Kommentar der Jury: Die vorliegende Arbeit berücksichtigt die besondere sprachliche Form einer Rede:
– den Redeanlass, den Adressaten (zu wem spreche ich?)
– den Appell (was will ich erreichen?)
– die rhetorischen Mittel (Redeaufbau, rhetorische Figuren).
Zum Inhalt:
In der Einleitung wird die Ausgangssituation zu Beginn der europäischen Einigung nach dem 2. Weltkrieg angesprochen und die gemeinsamen Werte der europäischen Völker werden beschworen (Friede, Freundschaft, Freiheit). Der Hauptteil wendet sich einigen kritischen Punkten des europäischen Einigungsprozesses zu (Überregulierung, Reformunfähigkeit, Mangel an Visionen, Verzagtheit). Im Schlussteil wird ein Ausblick in die Zukunft geboten („Freihandelszone“ oder „politische Entität“), der in den Appell einmündet, die Bevölkerung Europas auf dem Weg in die Zukunft nicht zu vernachlässigen.
Sprachliche Mittel:
Der Verfasser verwendet kurze parataktische Aussagesätze sowie etliche Aufforderungs- und Fragesätze. Die Aufforderungen sind häufig als Emphase („Lassen wir aber unsere Pax Europa nicht auf Angst vor Krieg, sondern auf der Liebe zum Frieden basieren.“) gestaltet, die Fragesätze meist als rhetorische Fragen („Quo vadis, Europa?“). Nachdruck wird der Rede auch durch Anaphern („Das ist es, was Europa auszeichnet! Das ist es was Europa weiterhin schmücken soll.“), die Figur der Klimax sowie viele Metaphern (z. B. „unser gemeinsames Haus“), Zitate (z. B. von Voltaire) und Personifikationen („Freiheit darf keinen Selbstmord begehen“) verliehen.
Die Juroren haben diese Rede, die sich in starkem Maße der klassischen rhetorischen Mittel bedient, den inhaltsreicheren Texten, die jedoch letztlich Aufsätze bzw. Abhandlungen mit einer vorangestellten Anrede sind, vorgezogen.